TITEL STORY (Quelle:blu-news) : Über den Fall der Karbener Projektwerkstatt – ist hier wirklich alles so, wie es scheint?
Die Stadt Karben, eine Idylle mit 20.000 Einwohnern im Wetterauskreis vor den Toren der Stadt Frankfurt. Seit einigen Wochen ist die Idylle gestört, Medien und Politik sind in Aufruhr, viele Bürger verunsichert. Im Herzen der Kleinstadt soll sich ein „Neonazinest“ gebildet haben, und das direkt neben einer Moschee. Schnell gründete sich ein „Bündnis gegen Rechtsextremismus“, der Kampf des Guten gegen das Böse läuft auf Hochtouren. Doch ist hier wirklich alles so, wie es scheint? Was es mit den Guten auf sich hat – und wie böse das Böse hier wirklich ist. Eine blu-News-Titelstory mitsamt Video-Dokumentation gibt Aufschluss.(Siehe: blu-TV-Dokumentation über die Projektwerkstatt Karben am Ende des Artikels)
Das hatte sich der 37-jährige Ingenieur Andreas Lichert wohl gänzlich anders vorgestellt: Als ein Ladenlokal in seinem Haus in der Karbener Bahnhofstraße frei wurde, wollte Lichert darin einen Raum für politische Diskussionen schaffen. Das Angebot sollte sich vor allem an junge Menschen richten, im Mittelpunkt sollte die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung stehen, die Lichert – wie so viele Bürger – kritisch sieht. Doch dann ging alles ganz schnell, und vor allem kam alles ganz anders. Eher zufällig waren Anhänger der Identitären Bewegung die ersten, die Licherts Angebot wahrnahmen und ein Treffen in der Projektwerkstatt abhielten. Sie legten Aufkleber der Bewegung ins Schaufenster – und das Unheil nahm für Lichert seinen Lauf.
Sie sind eben nicht links
Was es mit der Identitären Bewegung auf sich hat, ist schwer zu sagen. Schwerer jedenfalls, als viele Zeitungen ihren Lesern weismachen wollen. Ausgehend von Frankreich haben sich die Identitären zu einer europaweiten Jugendbewegung entwickelt, die jedoch noch ziemlich jung, ziemlich lose und ziemlich schwer greifbar ist. Von ihrem Auftreten her erinnern die Identitären an viele typisch-linke Jugendbewegungen: Sie überraschen mit Flashmobs, demonstrieren für ihre Standpunkte, indem sie zu harter Technomusik tanzen, verbreiten jugendaffine Flyer und Sticker, auf denen ihre Ziele mit flotten Sprüchen beworben werden, organisieren sich hauptsächlich via Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken. Nur in einem unterscheiden sie sich deutlich von ähnlichen Bewegungen im linken Spektrum: Sie sind eben nicht links. Und das genügt im Deutschland dieser Tage schon, um zur Zielscheibe von Medien und Politik zu werden.
Daher ist nicht nur die lose Struktur der Identitären ein Problem bei der Bewertung dieser Bewegung, das Hauptproblem sind die Medien selbst. Der Spiegel beispielsweise war sich schnell sicher,dass die Identitären ins rechtsextreme Spektrum zu verorten seien. Doch wie glaubwürdig ist das, wenn zur Begründung der vermeintliche „Extremismus-Experte“ Alexander Häusler herhalten muss? Jemand, der offenbar hauptberuflich damit beschäftigt ist, alle nicht-linken Gruppierungen der Nation pauschal unter Extremismus-Verdacht zu stellen. Jemand, dem bereits im Jahr 2011 von der Bremer Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) auf juristischem Wege nachgewiesen wurde, dass er es bei seinem „Kampf gegen Rechts“ mit der Wahrheit offenbar nicht allzu genau nimmt – und der daraufhin eine Unterlassungserklärung unterzeichnen musste. Und jemand, der trotzdem auch jüngst wieder der neugegründeten Partei Alternative für Deutschland (AfD) pauschal „Rechtspopulismus“ und „Nationalismus“ unterstellte, freilich höchst medienwirksam in der Tagesschau. Fakt ist: Medien, die sich auf solche „Experten“ berufen, sind schlicht und ergreifend unglaubwürdig.
Noch unglaubwürdiger wird die deutsche Medienzunft angesichts der Tatsache, dass das Treiben linker bis linksradikaler Gruppierungen in der Regel verharmlost, wenn nicht gar – siehe Occupy und Blockupy – beschönigt wird. Dabei streben diese Gruppen nicht selten nach erkennbar verfassungsfeindlichen Zielen, sind sozialistisch, marxistisch oder kommunistisch ausgerichtet und wildern damit weit jenseits der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die Identitären richten sich zwar deutlich gegen den Multikulturalismus linksgrüner Prägung, dieser ist allerdings kein Verfassungswert, schon gar nicht Voraussetzung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Er ist aber ideologische Grundlage und gesellschaftspolitisches Ziel der in deutschen Medien so allmächtigen Linken – und so dürfte sich schon ein Großteil der Vorurteile gegen die Identitären darin erklären, dass sie sich zu Werten bekennen, die denen der elitären Schreiberlinge und Berichterstatter bis hin zu hochrangigen Politikern diametral entgegenstehen. Mit Demokratiebekenntnissen hat all das in der Regel nur herzlich wenig zu tun.
Weit seriöser mutete dagegen bis vor nicht allzu langer Zeit die Einschätzung der Verfassungshüter an, doch selbst diese Instanz hat einiges an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Beispielsweise durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2013, in dem festgestellt wurde, dass die Bürgerbewegung Pro-Köln e.V. in mehreren Berichten des Verfassungsschutzes nicht hätte erwähnt werden dürfen. Oder dadurch, dass in Bayern nun der Landesverband der Partei Die Freiheit vom Verfassungsschutz beobachtet wird, während der islamistische Imam Bajrambejamin Idriz in München ungestört mit Millionenspenden aus arabischen Diktaturen ein europäisches Islamzentrum planen darf. Glaubwürdigkeit geht anders.
Es wird immer stärker mit zweierlei Maß gemessen
Dabei zeigt sich immer häufiger eine unschöne Tendenz: Bei der Extremismus-Bewertung in Medien und Politik, zunehmend auch durchgreifend bis in die Ämter für Verfassungsschutz, wird immer stärker mit zweierlei Maß gemessen. Und, was vielleicht noch schlimmer wiegt: Nicht mehr das Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie wird zum entscheidenden Faktor für die Extremismus-Bewertung, sondern das Bekenntnis zu den Werten der Etablierten (oder der realpolitische Nutzen einer Bewegung für die Ziele derselben) – beispielsweise in Sachen Multikulturalismus oder europäische Integration. Wer darin nur schon Gefahren für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sieht, ganz gleich, wie gut begründet, wird gerne bereits pauschal des Extremismus verdächtigt. Ein von Ideologien und Interessen herbei geführter Zustand, der es beinahe unmöglich macht, Bewegungen wie die Identitären aus der Ferne einzuschätzen. Weil einfach die verlässlichen – sprich: sachlichen – Quellen für Informationen fehlen.
In diesem Klima der ständigen Vorverurteilung und des pauschalen Extremismus-Vorwurfs, im konkreten Fall an die Adresse einer Jugendbewegung, der immerhin hunderte junge Menschen deutschlandweit angehören, von denen bislang aber kein einziger Fall von Gewalt oder Kriminalität dokumentiert ist, erscheint es am sinnvollsten, sich selbst ein Bild zu machen. Genau das hat Andreas Lichert getan, genau das sollte ihn teuer zu stehen kommen.
Gegenüber blu-TV erklärt Lichert, dass er nicht den Eindruck habe, dass es sich bei den Identitären um eine rechtsextreme Gruppierung handele. Diejenigen, die er bis dato kennengelernt hat, hätten jedenfalls glaubhaft auf dem Boden des Grundgesetzes gestanden. Lichert will nicht ausschließen, dass es vereinzelt Fälle von persönlichen Überschneidungen zwischen Anhängern der Identitären Bewegung und tatsächlichen Rechtsextremen gibt; er will sich aber auch nicht am medialen Prozedere beteiligen, unter dem Vorwand dieser wenigen Einzelfälle alle Identitären als Rechtsextremisten abzustempeln. Lichert sieht darin sogar die Gefahr, dass sich auf diesem Wege der Isolation und Vorverurteilung große Teile der Jugendbewegung wirklich radikalisieren könnten. Selbst wenn es da vereinzelt extremistische Tendenzen gäbe, sei es doch besser, mit den Jugendlichen zu reden und ihnen gegenüber für demokratische Werte zu werben, so Lichert. Dem würde selbst „Extremismus-Experte“ Alexander Häuser zustimmen, wenn es sich um junge Muslime oder Linksradikale handeln würde. Doch wie gesagt: Geht es um im weitesten Sinne Rechte, gelten offenbar andere Maßstäbe.
Genau diesen Maßstäben ist auch Lichert zum Opfer gefallen. Sie lauten: Vorverurteilung, Pauschalurteile, Extremismusvorwurf, Ausschluss von der Öffentlichkeit, Diffamierung und Verleumdung. So zu beobachten in Karben, im Falle von Andreas Lichert – stellvertretend für zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle deutschlandweit. Offenbar hat sich in den Medien eine Art Parallelgesellschaft entwickelt, in der ganz eigene Regeln gelten, die mit Rechtsstaatlichkeit so viel zu tun haben, wie Geheimdienste mit Datenschutz.
Immerzu mit der Identitären Bewegung gleichgesetzt
Zahlreiche Lokalzeitungen wie die Wetterauer Zeitung, die Frankfurter Neue Presse (FNP) und die Frankfurter Rundschau (FR) berichteten über die Projektwerkstatt, ohne überhaupt nur einmal Andreas Lichert nach seiner Sichtweise zu fragen. Und das, obwohl teils heftigste Vorwürfe formuliert wurden bis hin zu der Unterstellung, Lichert betreibe mit der Projektwerkstatt ein „Neonazi-Nest neben der Moschee“ (Zitat:Frankfurter Rundschau) – der Angeklagte kam nicht zu Wort, eine Möglichkeit zur Verteidigung wurde ihm nicht gegeben. Stattdessen führte die einseitige Berichterstattung schlagartig zur Gründung eines Bündnisses „gegen Rechtsextremismus“ – ins Leben gerufen auf einer Informationsveranstaltung mit 500 Karbener Bürgern, auf der fragwürdige „Experten“ vom Schlage Alexander Häuslers die Anklage formulierten und im selben Atemzug das Urteil sprachen.
Nur einer durfte die Karbener Stadthalle an dem Tag nicht betreten: Andreas Lichert. Grundlos wurde ihm der Zugang verwehrt, einzig mit Verweis auf das Hausrecht der Veranstalter. Gegenrede: Unerwünscht. Verteidigung: Verboten. Feine Demokraten.
Berichterstattung im HR, Anklicken zum Vergrößern (Beweisbild: Screenshot; rote Hervorhebung durch blu-News)
Erst, als in der vergangenen Woche der Hessische Rundfunk (HR) in einem Beitrag für dieHessenschau über die Projektwerkstatt berichtete, kam auch Andreas Lichert endlich einmal zu Wort. Vorher hatten sich die Reporter ausführlich mit ihm unterhalten, Lichert hatte ein gutes Gefühl. Das sollte sich jedoch ändern, als er den HR-Bericht auf seinem Laptop sah.
Der einzige Satz, den der Ingenieur bis dato in der gesamten Berichterstattung über seine Person öffentlich sagen durfte, lautete also nun, in der Hessenschau des HR: „Wir haben nie gegen irgendjemanden gehetzt, weder gegen Gruppen noch Einzelpersonen, insofern hat sich dieser Widerstand nicht auf einer objektiven Basis formiert, sondern aufgrund falscher Anschuldigungen.“ Eigentlich eine gute Botschaft, findet Lichert. Das Problem ist nur: „Mit ‚wir‘ war die Projektwerkstatt gemeint.“
Im HR-Film wirkt es jedoch so, als spreche Lichert für die Identitäre Bewegung, eine Gruppierung, der er selbst gar nicht angehört. Tatsächlich ist das eine der Geschichten hinter dieser Geschichte, sie zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Berichterstattung und ist längst wesenhafter Bestandteil des Zerrbildes, das in lokalen Medien gezeichnet wird. Lichert und die Projektwerkstatt werden kontinuierlich und immerzu mit der Identitären Bewegung gleichgesetzt. In der Folge ergießt sich über dem Karbener Ingenieur seit Wochen ein medialer und politischer „Shitstorm“ aus so ziemlich allem, was je Negatives über die Identitären gesagt oder geschrieben wurde. Das alles nur, weil Andreas Lichert Angehörigen dieser Bewegung seine Projektwerkstatt für ein Treffen zur Verfügung gestellt hat. Und weil er mit ihnen geredet hat, anstatt sie pauschal zu verurteilen.
Seriosität sieht anders aus
Und noch eine Geschichte hinter der Geschichte zeigte sich exemplarisch in der Hessenschau des HR. Während Lichert nur mit einem einzigen Satz zu Worte kam, der zu allem Überfluss noch sinnverfälschend im Film platziert wurde, durfte nach dem Filmbeitrag der Kasseler „Experte für Rechtsextremismus“, Helge von Horn, ausführlich Stellung nehmen. Auch von Horn ist ein „Experte“ vom Schlage Alexander Häuslers, tritt gerne bei Veranstaltungen linker bis linksradikaler Gruppierungen auf. So zum Beispiel im Dezember 2011 im Frankfurter DGB-Haus auf einer Veranstaltung mit dem schönklingenden Titel „Rechte Gewalt stoppen! – Informations- und Vernetzungstreffen“. Mit dabei waren unter anderem die „Antifa-BI“, die DGB-Jugend, der Ausländerbeirat Hessen, der Verein „Grätsche gegen rechts“, das „Wetzlarer Bündnis gegen Rechts“, zudem Heide Scheuch-Paschkewitz von der „Anti-Nazi-Koordination Frankfurt“ und Gerd Wiegel von der Bundestagsfraktion der sozialistischen Linkspartei. Feine Demokraten.
Wie gut die Vernetzung in diesen linken bis linksradikalen Milieus funktioniert, zeigt sich nun in Karben. Hinter der „Antifa-BI“ versteckt sich die äußerst unseriös erscheinende „Antifaschistische Bildungsinitiative“ aus dem benachbarten Friedberg, die zu den treibenden Kräften bei der Gründung des Karbener Bündnisses zählt. Der Vorsitzende der Antifa-BI, Andreas Balser, war einer der beiden „Experten“, die bei der Informationsveranstaltung in der Stadthalle das Vorgehen gegen Licherts Projektwerkstatt rechtfertigten. Dass Balser überhaupt der Vorsitzende der selbsterklärten Bildungsinitiative ist, geht nur aus der „Beitrittserklärung“ hervor, die auf der Internetseite der Antifa-BI heruntergeladen werden kann. Im Impressum hingegen wird – wider geltendes Recht – weder eine Person, noch eine Adresse angegeben. Weitere Informationen über Organisation und Gebaren gibt der linksextrem anmutende Verein schon gar nicht Preis.
Screenshot der Seite “Netz gegen Nazis”: Klarstellung bezüglich Andreas Balser – Zum Vergrößern anklicken (Beweisbild: Screenshot)
Und es wird tatsächlich noch ominöser: Andreas Balser, quasi der Kronzeuge der „Anklage“ gegen Andreas Lichert, hat eine mehr als fragwürdige Vergangenheit, die ihm phasenweise selbst in linksradikalen Antifa-Kreisen erhebliche Kritik einbrachte. Denn offenbar stand Balser bis zum Jahr 2009 mehrere Jahre lang in engem Kontakt mit einem NPD-Funktionär, überzeugtem Rechtsradikalen und gleichzeitig – und jetzt wird es endgültig chaotisch – bezahltem Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Balser soll dieser Person umfangreiche Informationen gegeben und dafür seinerseits Informationen erhalten haben, soll den Mann sogar in linksradikale Kreise rund um die Antifa-BI eingeführt haben, ohne den betroffenen Personen zu sagen, was es mit diesem Herren auf sich hat. Kaum verwunderlich also, dass es seinerzeit in den verschiedenen antifaschistischen Gruppen rund um Frankfurt ordentlich rumorte. Balser erschien seinen eigenen Mitstreitern zunehmend egozentrisch und vertrauensunwürdig. Und bis heute ist fraglich, was es mit dieser Geschichte wirklich auf sich hatte, wer hier wem Informationen beschaffte und wer hier welche Ziele verfolgte.
In einem Schreiben vom 3. Juli 2009 lies Balser über seinen Rechtsanwalt mitteilen, dass er den Kontakt zu dem besagten Mann beendet habe und keine weiteren Informationen mehr an den NPD- und/oder Verfassungsschutz-Angehörigen übermitteln würde. Ob die merkwürdige Geschichte damit tatsächlich beendet war, bleibt nebulös, da es sich bei den meisten Informationsquellen wiederum um Internetseiten anderer linksradikaler Organisationen handelt. Fest steht jedenfalls: Seriosität sieht anders aus.
Ein wahrhaft buntes Bündnis
Doch ausgerechnet auf diesen Balser und die ihm anhängenden dubiosen Kreise, verortet bis tief ins linksradikale Milieu hinein und zudem noch mit höchst befremdlicher Historie, stützt sich der Karbener Stadtrat für Kultur und Integration, Philipp von Leonhardi (CDU). Er war es, der das Bündnis gegen Rechtsextremismus mitbegründete, zu dem nebst mehreren Vereinen und Schulen sowie besagten linksradikalen „Antifaschisten“ auch die Karbener Ditib zählt, die in unmittelbarer Nähe zur Projektwerkstatt eine Moschee betreibt.
Die Ditib ist wiederum der deutsche Arm der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die in der Türkei die Unterdrückung religiöser Minderheiten organisiert, während sie hierzulande unter Berufung auf die Religionsfreiheit mittlerweile über 1.000 Moscheen betreibt. Direkt unterstellt ist die Diyanet – und damit letztlich auch die Ditib – dem islamistischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, dessen Demokratieverständnis sich in den vergangenen Wochen überdeutlich zeigte. Der Zeit-Journalist Jörg Lau beispielsweise, wahrlich nicht für ausufernden „Rechtspopulismus“ oder „Islamhass“ bekannt, bezeichnete die Ditib im Jahr 2009 als „langen Arm Erdogans“ in Deutschland. Mit anderen Worten: Ein wahrhaft buntes Bündnis, das sich da in Karben formiert hat.
Die Ditib betreibt eine Moschee neben der Projektwerkstatt (Bild: blu-News)
Dabei war Licherts Verhältnis zur benachbarten Ditib-Moschee bisher äußerst entspannt. Er selbst bezeichnet sich als „konservativen Demokraten“ und als „praktizierenden Christen“. Gerade wegen letzterem habe er mit der Arbeit der Ditib eigentlich gar keine Probleme. Es brauche in der deutschen Gesellschaft „mehr Religion, nicht weniger“, findet Lichert, und berichtet gegenüber blu-TV davon, dass der Imam der Gemeinde ihn noch an Pfingsten freundlich zu einem Fest in der Moschee eingeladen hatte. Islamkritische Inhalte gab es in der Projektwerkstatt bis heute nicht, ohnehin wollte Lichert den inhaltlichen Fokus auf die Euro-Rettungspolitik legen. Zu diesem Thema hat Lichert eine Studie mitverfasst,die das Institut für Staatspolitik (IfS) veröffentlichte, eine rechtskonservative Denkfabrik, die unter anderem die Zeitung Sezession herausgibt und in der sich Lichert seit Jahren engagiert.
Auch das IfS ist mittlerweile zur Zielscheibe linksradikaler „Kämpfer gegen Rechts“ geworden – unter anderem wurde dem IfS aus Antifa-Kreisen eine Nähe zur NPD unterstellt. Einen Vorwurf, den Lichert in aller Deutlichkeit zurückweist. Das IfS richte regelmäßig öffentliche Veranstaltungen aus, bei denen nicht jeder Teilnehmer überprüft werden könne. Gut möglich, dass da mal ein „schwarzes Schaf“ an einer solchen Veranstaltung teilgenommen habe, irgendeine ideologische oder organisatorische Nähe des IfS zur NPD bestünde jedoch definitiv nicht.
Auch seine Projektwerkstatt steht für rechtsextreme Organisationen nicht zur Verfügung, beteuert Lichert. Schon gar nicht für ebendiese NPD, da sie erstens „eine extremistische Partei“ sei, und zweitens, da sie „sozialistisch“ sei. „Ich mag Sozialisten nicht, weder rote, noch braune“, stellt Lichert gegenüber blu-TV klar.
Die Karbener Welle
Ist das vielleicht der Grund dafür, dass Lichert weder in den Medien zu Wort kam, noch zur Informationsveranstaltung des Bündnisses gegen Rechtsextremismus eingelassen wurde? Wer Lichert persönlich trifft, mit ihm spricht und mehr über seine politischen Sichtweisen erfährt, kann nur noch schwer bis gar nicht glauben, was über ihn bis dato geschrieben und berichtet wurde. Mitnichten muss die benachbarte Ditib-Moschee, wie eine Zeitung schrieb, vor diesem Menschen „beschützt“ werden. Ein „Neonazi“ ist Andreas Lichert schon gar nicht. Und wie „Neonazis“ wirken auch nicht die Leute, die Lichert am 22. Juni geholfen haben, in Karben Postwurfsendungen zu verteilen. Informationsmaterial, mit dem sich Lichert direkt an die Bürger wandte, um sich gegen die Vorwürfe aus Medien und Politik zu verteidigen. Übrigens: Informationsmaterial der Projektwerkstatt, nicht der Identitären Bewegung.
Doch ob das noch etwas bewirkt? Was ist schon eine Postwurfsendung im Vergleich zu der flächendeckenden Berichterstattung in zahlreichen Medien? Und was hat es mit dieser Berichterstattung eigentlich auf sich? Warum sind all die Zeitungen nicht imstande, überhaupt nur zwischen Licherts Projektwerkstatt und der Identitären Bewegung zu unterscheiden? Warum werden so schwere Vorwürfe gegen eine Person erhoben, ohne dass der Betroffene zu Wort kommt? Die Frage zwängt sich auf: Was soll das alles?
Eine Antwort könnte lauten: Es hetzt sich leichter gegen Namenlose, gegen Menschen ohne Stimme und ohne Gesicht. Gegen Personen, die als Sinnbild für das Böse herhalten müssen, damit sich andere an der Bekämpfung desselben, also an ihrer vermeintlich guten Tat, ergötzen können. So, genau so, wirkt das, was in Karben aktuell geschieht. Deswegen sollte Lichert nicht einmal Zutritt zur „Verhandlung“ über seine Person gestattet werden, damit bloß keine Zweifel aufkommen, keine Risse entstehen am wohlfeil konstruierten Bild der ach so guten Kämpfer gegen das ewig Böse. Damit man sich bloß weiter ergötzen kann an der moralischen Inszenierung seiner selbst, auf Kosten eines Abwesenden. Der Ausschluss des Betroffenen ermöglicht es, das eigene, inquisitorisch anmutende Handeln aller Widersprüche zum Trotz noch als Heldentat zu verklären. Und so wurde verhandelt und verurteilt in bester NS- oder DDR-Manier: Ohne Verteidigung, ohne Widerrede, auf Basis einseitiger Beweisführung. Und diese Kreise behaupten, ihr Kampf richte sich gegen irgendeinen Extremismus?
Tatsächlich zeigt der Fall im Kleinen, wie all die Unrechtsstaaten der Welt im Großen entstanden sind und am Leben erhalten werden: Aus sich selbst heraus, durch die moralische Legitimation von Unrecht und dessen Institutionalisierung in Form von Unrechtsstaatlichkeit. Der Fall der Karbener Projektwerkstatt, vor allem das eilig über Nacht erwachsene Bündnis dagegen, weckt Erinnerungen an das Buch „Die Welle“ von Morton Rhue; mit anderem Vorzeichen zwar, aber mit ähnlichem Ergebnis. Das Opfer der Karbener Welle ist Andreas Lichert, dessen Ruf im Ort zumindest angeschossen, vielleicht sogar längst ermordet wurde.
Die einzig vernünftige Erklärung
Ebenso schlimm ist das, was hinter den Kulissen geschieht. Das Wirken jener nämlich, die den Wunsch der Bürger nach – an sich völlig begrüßenswertem – Engagement gegen extremistische Strömungen missbrauchen, um ihrerseits ihre politischen Ziele durchzusetzen. Da sind im vorliegenden Fall die linksradikalen Hetzer aus Kreisen von Antifa und Co., die im gegenwärtigen Zustand von Medien und Politik wohl die historische Chance wittern, endlich auch alle bürgerlich-demokratischen Kräfte mit der Nazi-Keule totzuschlagen. Wie schon gesagt: Feine Demokraten.
Ein weiterer feiner Demokrat in diesem Spiel ist CDU-Politiker Philipp von Leonhardi. Warum nur, muss man sich fragen, macht in Karben nun sogar schon die CDU mit linksradikalen Kräften gemeinsame Sache?
Abgesehen davon, dass dieser Zustand schon in der eklatanten Fehlentwicklung der CDU unter Kanzlerin Merkel erklärbar wäre, zwängt sich noch eine weitere, viel pragmatischere Erklärung auf: Hat sich Lichert vielleicht gerade mit seinem Vorhaben, mit jungen Menschen die Merkelsche Euro-Rettungspolitik zu diskutieren, unwissentlich die ortsansässigen Funktionäre der Merkel-Partei zum Feinde gemacht?
Im Herbst wird gewählt. Seit sich mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine eurokritische Partei gegründet hat, ist die Union in Aufruhr. Die Panik der Christdemokraten ist umso größer, da erstens die Sorge vor den Folgen der gegenwärtigen Rettungspolitik im Volke weit verbreitet ist; und da zweitens ein Wahlerfolg dieser neuen Partei das gewünschte „Weiter so“ der Kanzlerin erheblich erschweren, vielleicht sogar unmöglich machen würde. Was käme also aus Perspektive der Union – in Karben, wie überall sonst – ungelegener als eine Projektwerkstatt, in der vornehmlich junge Menschen aus konservativem Umfeld die Euro-Politik der Kanzlerin kritisch diskutieren, vielleicht sogar indirekt den Geist des Zweifels in ihre Familien tragen?!
Es mag nur eine These sein, aber sie erscheint doch äußerst naheliegend. Denn plötzlich erklärt sich, was in Karben geschieht. Plötzlich erklärt sich, warum unter Leitung eines CDU-Stadtrats quasi über Nacht ein ganzes Bündnis gegen einen höchst bürgerlichen Karbener losgetreten wurde. Und warum sich dieser Stadtrat dabei nicht einmal scheut, sich der üblichen Mechanismen linksradikaler Kreise zu bedienen. Geht es um den eigenen Machterhalt, gar um politische Konkurrenz im bürgerlichen Lager, entwickelt die CDU selbst auf lokaler Ebene Beißreflexe, die denen linker Parteien in nichts nachstehen.
Ist das die ganze Wahrheit? Hat Lichert aus Versehen ins wahltaktische Wespennest der Union gestochen und damit die Karbener CDU zum Pakt mit dem politischen Teufel gezwungen? Sind Balser und seine selbsterklärten Antifaschisten nur die nützlichen Idioten für eine um ihren Machterhalt kämpfende CDU? Man weiß es nicht. Doch es erscheint höchst plausibel. Es scheint, die einzig vernünftige Erklärung zu sein.
Das Wort hat nun der Angeklagte
Die Projektwerkstatt in Karben (Bild: blu-News)
Unabhängig davon steht eines fest: Der ganze Vorgang, der sich in Karben ereignet hat, stinkt zum Himmel nach Einseitigkeit, Vorverurteilung und Verleumdung. Nichts wiegt bei alledem schlimmer als das Verfahren, in dem über Andreas Lichert geurteilt wurde. In Medien und Politik, auf einer Veranstaltung in der Karbener Stadthalle, mit fragwürdigen Zeugen und stets unter Ausschluss des Angeklagten. Diejenigen, die sich nun allen Ernstes noch als Statthalter des Guten auf Erden inszenieren, sollten sich was schämen. Sie sind unlängst zu Handlangern des Bösen geworden. Und zwar gänzlich unabhängig von der Frage, was es mit den Identitären oder dem IfS wirklich auf sich hat. Selbst unabhängig von der Frage, was es mit Andreas Lichert auf sich hat. Das Böse steckt hier im Prozedere, das einer Demokratie ganz und gar unwürdig ist.
Allerhöchste Zeit also, dass endlich der Angeklagte spricht, dass endlich Andreas Lichert schildert, wie sich die Angelegenheit aus seiner Sicht darstellt. Das, fürwahr, sollte das Mindeste sein, was einem Angeklagten in einem Rechtsstaat zuteil wird. Erst danach sollte die Öffentlichkeit urteilen, doch gerade das ist nicht im Sinne der Macher hinter diesem Bündnis, das daher zuvorderst ein Bündnis wider die Rechtsstaatlichkeit ist. Genauso funktionieren Diktaturen: Last bloß nicht die Gegenseite zu Wort kommen, damit der brave Bürger nicht zu zweifeln beginnt, was es mit der ihm diktierten Meinung wirklich auf sich hat.
Dementsprechend ist die blu-TV-Dokumentation über die Projektwerkstatt vor allem eines: Das längst überfällige Plädoyer der Verteidigung, das es nach Gusto von „feinen Demokraten“ wie Philipp von Leonhardi und seinen linksradikalen Vasallen niemals hätte geben dürfen.
Ursprünglich war geplant, in dem Videobericht auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen. Doch nicht nur, weil eine Anfrage an die Stadt Karben unbeantwortet blieb, sondern vor allem, weil die Gegenseite schon alles gesagt hat, und zwar oft genug und mit maximaler Reichweite, erscheint es genau genommen umso begrüßenswerter, dass sie in diesem Fall zum Schweigen verdammt ist. Auch das gehört sich so, wenn die Verteidigung spricht. Zumindest in einem Rechtsstaat. Das Wort hat nun der Angeklagte. Endlich.
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